Evelyn Kreineckers „Untersuchung der Wirklichkeit“ und der Versuch etwas Wahrhaftiges dabei herauszufinden, beschreibt ihren persönlichen Zugang zum Malen und Zeichnen. Das will auch der Titel „EXPLORATION 5.5“ aussagen. Exploration bedeutet – die Erforschung, die Erkundung.
Das Museum Angerlehner präsentiert in der Salonausstellung die Prambachkirchner Künstlerin Evelyn Kreinecker. Gezeigt werden fünf Serien aus ihren intensiven letzten fünf Schaffensjahren, deren Hauptwerke in einem erstmals arrangierten Konzept gemeinsam mit drei preisgekrönten Kurzfilmen präsentiert werden.

Kreineckers Bilderserien sind persönliche Fragestellungen auf die brisanten sozialpolitischen Umwälzungen unserer Zeit. Doch faszinieren sie auch Hände, denen man individuelles Leben genauso ablesen kann, wie den Falten eines Gesichts. Die Welt lässt sich ohne Hände kaum begreifen. Wir gestikulieren und verbergen damit, berühren und liebkosen.
„Es sind gemalte und gezeichnete Handgeschichten, denen alle Erfahrungen, Handlungen, Erlebtes, Schweres und Leichtes eingeschrieben steht. Eine individuelle Landschaft aus Linien, Schattierungen, Furchen, Kuppen, Sehnen und Falten wird zum Bild für das Menschsein ohne Verkleidung, Maskierung oder Selbstdarstellung.“ Die Ausstellung zeigt dazu Werke der „Sensus“ Serie im Foyer.

Evelyn Kreinecker arbeitet gerne in länger angelegten Serien und Projekten und darüber hinaus auch gleichzeitig an verschiedenen Themenbereichen.
Zitat: „Malen oder Zeichnen heißt für mich sehen, beobachten, erfassen, verstehen, ergründen und begreifen mit Pinsel und Kohlestift. Es ist das Finden einer eigenen Sprache. Es geht mir um den Menschen – in seinem Dasein als Individuum. Ich setze mich mit der Vielschichtigkeit, Intimität und Verletzlichkeit, die ich in den Gesichtern, Händen und Haltungen sehe, auseinander.“  Evelyn Kreinecker

Die Serien „Betrachtungen – Wegstücke – Mengenlehre –   Sensus“ werden hintergründig durch ornamentale Strukturen unterlegt. So thematisiert das jeweilige Bild die Spannung zwischen Privatem und Öffentlichem, dem Verbergen oder Präsentieren. Die Bildaussage wird unterschwellig verstärkt und eine vielschichtige Komposition aufgebaut, die Malerei und Zeichnung verbindet. Die Persönlichkeitsrechte zu respektieren ist mittlerweile zur Gratwanderung geworden. Man eignet sich zu viel Fremdes an und meint vermeintlich dadurch zufriedener zu sein.

In den „Betrachtungen“ fokussiert sich Evelyn Kreinecker durch motivisch dargestellte Alltagsszenen auf die gerichteten Blicke und gelenkten Aufmerksamkeiten der Personen. Die malerisch reizvolle Serie „Mengenlehre“ erstaunt durch den erkennbaren individuellen Charakter einzelner Personen. Sie stellt sich dabei die Frage: Was passiert mit dem Individuum in der Masse?

In ihrer jüngsten Werkserie mit dem Titel „Immerse“ (engl. Eintauchen) beschäftigt sich Evelyn Kreinecker mit dem Thema Wasser als Lebensquell, Bedrohung, Projektion oder Ruhepol. Ein Eintauchen in die grafisch wie expressiv malerisch und farblich stark akzentuierten Oberflächen und Tiefen wird evoziert. In der Betrachtung der Arbeiten werden je nach Perspektive verschiedene Malschichten erkennbar. Wenn die Betrachter nahe an das Bild herantreten, stellt sich die Wasseroberfläche als Textur dar, das „Wasserhafte“ entwickelt sich für das wahrnehmende Auge erst durch die Distanz zum Gemälde. Je nach Blickwinkel sehen wir die Oberfläche, die Spiegelung des Wassers – oder aber auch das Darunterliegende.

Im Bildaufbau beginnt sie zuerst mit einem gestischen Farbauftrag in Acryl, danach kommt die zweite Schicht, die weder gegenständlich noch abstrakt zu lesen ist, sondern der eine typisch „ornamentale Struktur“ eines Textils zugrunde liegt. Darüber wird die dritte Ebene, eine malerische oder grafische in Öl gearbeitete Schicht gelegt, die akzentuiert. Illusionistisch beinah, entstehen optische Täuschungen, da aus der entfernten Perspektive eine Oberfläche suggeriert wird, aber tatsächlich handelt es sich um eine tieferliegende Malschicht.

Kreineckers Werke lassen sich nicht nach klassischen Kriterien einordnen, es ist die Bildkomposition, die für sie funktionieren muss. An die Malerei wird zeichnerisch herangegangen und der Duktus des Pinselstrichs soll sichtbar gesetzt sein, damit die Pinselstriche rein modellieren.

In ihren preisgekrönten Stop-Motion-Kurzfilmen mit den Titeln „Flucht, Wegstücke und Sensus“ und den Augmented Reality Werken arbeitet sie mit Kohle auf Leinwand und zeigt ihren persönlichen Blick auf aktuelle sozialpolitische Entwicklungen unserer Zeit. „Fridays for Future“ oder Demos für oder gegen politische Übermacht, kann mittels der App Artivive seine bildliche Umkehr finden. Diese Momentaufnahmen verändern und überlagern sich, erzählen Geschichten, hinterlassen Spuren und stellen individuelle Fragen, zum Woher und Wohin oder auch dem Weshalb und Warum. Woher kommen wir und wohin gehen wir….

Zitat Hermann Hesse: „Die Kunst gehört zu den Funktionen der Menschheit, die dafür sorgen, dass Menschlichkeit und Wahrheit fortbestehen, dass nicht die ganze Welt und das ganze Menschenleben in Hass und Partei zerfällt.“

Evelyn Kreinecker ist auf der Spurensuche nach den Tiefen und den Oberflächen, im Zeichnerischen mit Kohle, in Stop-Motion-Filmen oder im gekonnt Malerischen. Immer bleibt sie eine ausgesprochen begabte und vielseitige Künstlerin mit Feingefühl und Raffinesse. Bewegend und sinnlich, doch oft auch markant hart in den Konturen – Sie sehen eine ausgewählt komponierte und explorative Werkschau!

Zum Werk sprach die Kuratorin und Kunsthistorikerin Mag.a Marlene Elvira Steinz bei der Eröffnung der Ausstellung Exploration 5.5 am 10. November 2019 im Museum Angerlehner.